Im Anschluss an unsere etwas beschwerliche, dennoch phantastische Wanderung zur Klosterruine La Trapa, besorgten wir uns in einem Anflug von Vernunft zunächst einmal eine ordentliche Wanderkarte im Verhältnis 1:25.000. Für den zweiten Tag unseres kurzen Mallorca-Aufenthalts wurde ein Ausflug nach Valldemossa geplant. Ich wollte meinem Mann nach einer moderaten Wanderung das Kartäuser-Kloster zeigen, das ich von vorherigen Reisen bereits kannte. Das 1399 gegründete Kloster erlangte in erster Linie Berühmtheit, weil George Sand und Frédéric Chopin dort über den Winter 1838/39 residierten. Der polnische Komponist wollte im angenehmen Mittelmeerklima von seiner Tuberkulose-Erkrankung regenerieren, was ihm leider nicht gelang - er erlag wenig später einer Herzbeutelentzündung in Folge der Tuberkulose im Alter von nur 39 Jahren.
Am Ende des wieder einzigartigen Erlebnistages hinderten uns "leichte Unwegsamkeiten" daran, unserem ursprünglichen Vorhaben nachzugehen und auf Mallorca auch kulturellen Pfaden zu folgen.
Der Februar ist eine beliebte Reisezeit für Mallorca-Urlauber, da die Insel im frühen Frühjahr in einem Meer aus rosafarbenen und weißen Mandelblüten versinkt. Die letzten beiden Monate des vergangenen Jahres waren auf den Balearen sehr mild, so dass die Mandelblüte deutlich früher als gewöhnlich einsetze, dennoch wurden wir auf dem Weg nach Valldemossa mit dem Anblick einer Mandelbaumplantage, auf der die Frühlingspracht kaum verblüht war, beschenkt.
Im - zumindest in den Wintermonaten - beschaulichen Bergdorf Valldemossa angekommen, nahmen wir einige imposante Bauwerke von außen wahr, bevor wir erneut den Startpunkt für einen anspruchsvollen "Spaziergang" suchten.
Was nützt die beste Wanderkarte der Serra de Tramuntana, wenn die Mallorquiner partout nicht verstehen wollen, dass zumindest der Einstieg in Wanderwege durch Wegweiser markiert sein sollte und dem Hiking-Touristen nicht damit gedient ist, sich plötzlich vor einer durch zähnefletschende Hunde gut bewachten Edel-Finca ratlos wiederzufinden? So verließen wir uns in diesem Moment auf mit Rucksäcken, Wanderstöcken und robustem Schuhwerk sehr gut ausgestattete Spanier, die zielorientiert einen vielversprechend aussehenden, heftig ansteigenden Weg nahe des augenscheinlichen Ausgangspunktes einschlugen.
Wir marschierten in einem ausgetrockneten Bachbett schnurstracks hinauf durch einen Steineichenwald (die Steineichen haben ganz anderes Laub als die Deutschen Eichen, ich hätte bei der Baumbestimmung niemals an "Eiche" gedacht) und erhaschten zu einer Zeit, als mein rasch schwitzender Mann bereits das nicht mitgeführte Handtuch bedauerte, auf dem Pont de na Llambies eine beeindruckende Höhenaussicht auf Valldemossa.
Im Schatten des Waldes trafen wir immer wieder auf uralte Siedlungsreste wie Mauern, Zisternen, Backöfen, Köhleröfen (das harte Holz der Steineiche eignet sich hervorragend zur Verarbeitung zu Holzkohle) sowie Ställen, die noch heute halbwilden Ziegen als schützenden Unterschlupf dienen.
Je höher wir auf dem mittlerweile als diesen erkannten Fernwanderweg GR 221 stiegen, desto mehr ließ der üppige Pflanzenbewuchs auf Karstboden nach. Faszinierend ist es dann immer wieder, wie sich kleinste Sukkulenten in Spalten zwischen blankem Felsgestein halten, dabei von Sa Comuna aus einen bombastischen Blick auf das Mittelmeer und die Urbanitzacio George Sand zulassen.
Wir gingen den nunmehr weniger geschmeidigen und zum Höhenweg avancierten Pas de sa Fesa weiter bis zum Coll de Sant Jodie. Hier hätte man nach etwa sechs Kilometern Wanderung - und so ist es in der Wanderkarte auch eingezeichnet - gut Richtung Norden zur Straße Ma-10 absteigen können, doch leider war jede Abzweigmöglichkeit privado gesperrt und abgeschlossen. Zäune können einem echt den Spaß verderben - wir schwören in Bezug auf Hiking und Trekking auf das Jedermannsrecht in Skandinavien.
Also gingen wir weiter. Nach etwa zwei Kilometern stellten wir fest, dass wir uns nach wie vor auf dem Fernwanderweg befanden, für dessen Überwindung das Tageslicht nicht mehr ausreichen würde. Wir kehrten um und vertrauten der Karte, die uns sagte, dass wir bei der Cava de s’Almangra, einer weiteren Lichtung mit Ansammlungen alter Zisternen, Gemäuer, Dreschplätzen und Ställen, einen möglichen Abstieg suchen sollten. Spätestens jetzt lernten wir, dass gepunktete Linien auf der Landkarte, die in der Legende eindeutig als Weg bezeichnet werden, keine Wege sind! Maximal Kletterwege.
Nun denn: Wat mutt, dat mutt!
Wir überwanden auf 150 Metern Luftlinie ca. 70 Meter Höhenunterschied, was trittsicheres Klettern bedeutet. Wir schlugen uns durch struppiges Buschwerk und Stechginster, sammelten diverse Kratzer ein und standen plötzlich wieder vor Zäunen. Da es für den Flachländer definitiv keinen Weg zurück gab, betraten wir diesmal selbstbewusst Privatgelände. Die Schafe nahmen es uns aber nicht übel.
Auf einer breiten Treckerspur begaben wir uns weiter den Berg hinab und bemerkten, dass wir uns in einem bewirtschafteten Olivenhain befanden. Eigentlich war es eher ein Zauberwald und der Gedanke, dass Chopin die urigen Bäume vor 180 Jahren vielleicht als kleine Setzlinge bewundert haben könnte, lenkte uns von der eingesetzten Erschöpfung ebenso ab, wie die "Faszination Natur".
Die Hoffnung, die Toreinfahrt der feudalen Finca sei unverschlossen, wurde erfüllt. Ohne ernsthafte Blessuren erreichten wir die direkte, im Winter wenig befahrene, Straße nach Valldemossa und gingen noch etwa vier Kilometer auf Asphalt ins Örtchen zurück.
Als wir unseren Ausgangspunkt erreichten, hatten wir nach sieben Stunden keine Muße mehr, kurz vor Toresschluss durch die Kartäuser-Ausstellung zu hetzen. Wir schlenderten noch ein wenig lustlos durch die fast menschenleeren Gassen Valldemossas (im Sommer soll man hier keinen Schritt tun können, ohne einem anderen Passanten auf die Füße zu treten), suchten die nächstbeste, gemütliche Taberna auf und labten uns an je einem halben Liter frisch gepressten Orangensaft.
Unser erstes Mallorca-Fazit nach zwei Wandertagen lautete:
Man muss sich einfach mal trauen, kleine, unscheinbare, gefühlt unüberwindbare Wege einzuschlagen - die markierten sind ohnehin nicht auffindbar. Wo immer wir "zufällig" losmarschiert sind, war es traumhaft schön!